Sitzung des Bezirksausschuss 18 im September. Vor der Sitzung fragte mich ein älterer Herr, ob es heute auch um den Schilcherweg gehe, wo Wohnungen im Rahmen des Programms „Wohnen für Alle“ entstehen sollen.
„Wohnen für Alle“ ist ein ambitioniertes städtisches Projekt, von dem vor allem Familien mit geringem Einkommen, Auszubildende und junge Berufstätige sowie anerkannte Flüchtlinge profitieren sollen. (www.muenchen.de)
Der ältere Herr führte dann aus, dass die Unterbringung von „Asylanten“ immer bevorzugt werde vor der viel wichtigeren Betreuung und Bildung der Kinder. Als handle es sich nicht um eine Entscheidung der Verwaltung bezüglich dieses einzelnen Grundstücks am Schilcherweg, sondern als Gäbe es eine Leitlinie, die besagt, dass Kinderbetreuung grundsätzlich zu Gunsten von „Asylanten“ zurückgestellt werden muss. Wer in der bayerischen Verwaltung sollte eine solche Leitlinie aufgestellt haben, und warum? Das klingt fast wie eine Verschwörungstheorie.
Der ältere Herr meint also, dass das eine, die Kinderbetreuung, wichtiger sei als das andere, Wohnen für „Asylanten“. Diese Meinung kann man teilen, oder auch nicht. Man kann Kinderbetreuung viel wichtiger finden als das Wohnungsbauprogramm „Wohnen für Alle“ (dessen Zielgruppe der Herr auf die „Asylanten“ reduziert). So viel wichtiger, dass man flächendeckende Kinderbetreuung verwirklichen möchte, während man „Wohnen für Alle“ grundsätzlich ablehnt. Aber der ältere Herr findet Wohnungen für „Asylanten“ schon in Ordnung, nur eben nicht dort, wo die wohlhabenden Leute am Schilcherweg wohnen. Dort hätten die bedauernswerten „Asylanten“ keine Verkehrsanbindung (es gibt die Straßenbahnhaltestelle „Schilcherweg“ in unmittelbarer Nähe). Im Übrigen könnten sie sich dort nicht integrieren. Ich frage mich, was genau er unter Integration in der Nachbarschaft versteht? Ist es nicht allgemein angebrachter, von eher anonymen und eher freundlichen Nachbarschaften zu sprechen? Wie habe ich mich in meine Nachbarschaft integriert? Es sind meist freundliche Menschen, bei denen man sich auch mal ein Ei borgen kann. Wir sind mit manchen mehr, mit anderen weniger ins Gespräch gekommen. Eine so angenehme Nachbarschaft erfreut uns sehr, aber wären wir nicht auch gesellschaftlich integriert, wenn wir „nur“ unseren Freundeskreis und unser Arbeitsumfeld hätten und mit unseren Nachbarn weniger Kontakt hätten? Warum ist es ausgeschlossen, dass die vielleicht nicht so wohlhabenden Menschen, die an den Schilcherweg ziehen könnten, ein freundliches Verhältnis zu ihren Nachbarn pflegen? Das erklärte mir der ältere Herr nicht. Vielleicht, weil es eben doch nur mit sozialen und fremdenfeindlichen Ressentiments erklärbar ist.
Kinderbetreuung ist wichtig, ebenso wie Wohnen für Menschen, die in München leider sonst schlechte Chancen haben, eine Wohnung zu finden. Am Schilcherweg hat sich die Verwaltung für das Wohnungsbauprojekt entschieden. Auch der Bezirksausschuss hatte dafür gestimmt. Aber das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen.
Mein Gespräch mit dem Herrn ist übrigens gescheitert. Ich war nicht schnell genug. Ich habe ihm nicht gesagt, dass er nahe an Verschwörungstheorien argumentiert, weil er denkt, es gäbe eine Devise zur ständigen Bevorzugung von „Asylanten“ in Bayern. Es ist mir nicht gelungen, ihm zu sagen, dass es keinen Sinn ergibt, zwei soziale Leistungen gegeneinander auszuspielen, wenn man sie grundsätzlich beide befürwortet. Und ich habe ihm nicht gesagt, dass das Bedürfnis nach Abgrenzung von Menschen, die wenig Geld haben und womöglich noch etwas fremd in Deutschland erscheinen, von der „Initiative Schilcherweg“ nur sehr dürftig hinter der Sorge um fehlende Kinderbetreuung versteckt wird.