Aber den Stoff für mein Tagebuch habe ich gefunden, als sich zwei junge Chinesinnen auf dem Sprungbrett präsentierten. Zwei langgliedrige Göttinnen mit glänzenden schwarzen Zöpfen, die Zwillinge hätten sein können, so sehr glichen sie einander, doch der Kommentator hat präzisiert, dass sie nicht einmal Schwestern sind. … Nach ein paar anmutigen Hüpfern sind sie gesprungen. … Kurz, die zwei Grazien springen, und ganz am Anfang ist es reine Extase. Und dann, oh Schreck! Plötzlich hat man das Gefühl, dass es eine ganz ganz leichte Verschiebung zwischen ihnen gibt. … Sie sind nicht synchron! Die eine wird vor der anderen ins Wasser tauchen! Es ist schrecklich!Und plötzlich habe ich den Fernseher an geschrieen: „So hol sie doch ein, so hol sie doch ein!“ … Ist das jetzt die Bewegung der Welt? Eine winzig kleine Verschiebung, die die Möglichkeit der Perfektion für immer ruiniert? … Und dann habe ich mich plötzlich gefragt: Warum wollte man unbedingt, dass sie die andere einholt?
„Mein Sohn sagt, die Chinesen seien unnachgiebig!“
Wie das mit einer Schabe im Mund so ist, sagt Madaahme Rosen nicht die Chinesen, sondern die Chünösen. Ich habe immer davon geträumt, Chüna zu bereisen. Das ist doch viel interessanter, als nach China zu fahren.
Muriel Barbery: Die Eleganz des Igels (2006), Übersetzung von Gabriela Zehnder (2008) Deutscher Taschenbuch Verlag