„Na ja, ungefähr zwei Monate vorher hatte eine neue Aushilfe angefangen. Eine Chinesin. Soll zum Studium nach Japan gekommen sein. … Jedenfalls ist Jingli, so heißt das Mädchen, eine ganz normale Studentin. Schwarze Haare, helle Haut, ungeschminkt. Mama Chanel hat einen richtigen Narren an ihr gefressen.“
„Das kann ich verstehen. Von der Sorte gibt’s in Shobashi ja nicht so viele.“
„Genau. Außerdem ist sie Chinesin. Die musst du, anders als Koreanerinnen, wirklich suchen. Na ja, viel kann sie jedenfalls nicht. Im Prinzip sitzt sie die ganze Zeit nur rum, Japanisch spricht sie auch nur wenig, und trotzdem himmeln die Kunden sie an …“
Irgendwann – in der Bar war nichts los – waren wir mal nur zu dritt, Suzuka, Jingli und ich. … Da wir nichts Besseres zu tun hatten, fragten wir Jingli nach China. Mit welchen Zeichen man ihren Namen schreibt und so.
Meinen Namen schreibt man mit den Zeichen für ’still‘ und ‚Heimat'“, äffte Makiko Jinglis chinesischen Akzent nach.
„Ob das Leben in China wirklich so hart sei? Ob die Leute wirklich so arm seien? Ob die wirklich alle im Mao-Anzug Fahrrad führen? Ob es immer noch in wäre, leere Nescafé-Gläser mit Oolong-Tee zu befüllen? Das hätte ich mal im Fernsehen gesehen. Ja, ja, sagt Jingli, in Peking würde man groß von Olympia reden, aber das wäre alles Augenwischerei, das gälte nur für einen Bruchteil der Chinesen, die meisten Leute hätten kein Geld, müssten sehen, wo sie bleiben, versuchten das beste aus dem zu machen, was sie hätten, viel wäre es nicht, aber weil es neben Geld auch an Know-how fehlte, wäre bei einem Erdbeben in Sichuan kürzlich eine Schule eingestürzt, und dabei wären ganz viele Kinder ums Leben gekommen. Die Toiletten hätten keine Türen, in ihrem Dorf wäre alles eins, Straßen, Häuser, Kühe, Menschen. Alle würden gern in einem so sauberen und reichen Land wie Japan leben, für viele wäre das ein Traum.
Dann kommen wir auf Politik. Wer ist da doch gleich der starke Mann? Hu Jintao? Jingli sagt jedenfalls, in ihrem Herzen sei für immer Deng Xiaoping, und legt sich die Hand auf die Brust.
Mieko Kawakami: Brüste und Eier (2019), Übersetzung von Katja Busson (2020) Dumont