Teju Cole: Jeder Tag gehört dem Dieb (2007/2014)
Während Indien die Software-Branche erobert hat und Länder wie China, Indonesien und Thailand erfolgreich in die Fertigungsindustrie vorgestoßen sind, ist Nigerias Beitrag eher bescheiden.
Am Eingang des Gebäudekomplexes steht an einem hoch aufragenden roten Tor: Chinatown. Chinatown in Lagos? Und tatsächlich wird uns hier erneut signalisiert: Das ist eine normale Stadt, oder zumindest eine Stadt, die Normalität anstrebt, vergleichbar mit New York, London, Vancouver und San Francisco mit ihren Chinatowns. Dieses hier erfüllt die Norm bis hin zu den chinesischen Schriftzeichen an den Fassaden. Die Chinesen sind angekommen. Überall sind sie zu sehen, als Händler, als Bauunternehmer, als Arbeiter. Lagos ist jetzt ihr Zuhause. Der Chinatown-Komplex wurde 1999 errichtet, dort verkaufen sie Stoffballen, elektronische Geräte, Küchenutensilien. Die Nigerianer kommen scharenweise, schon wegen der niedrigen Preise. Doch die Chinesen haben es nicht leicht. Die Händler haben enorme Schwierigkeiten, ihre Waren durch die nigerianischen Häfen einzuführen. Sie müssen saftige Schmiergelder zahlen, und die Lieferzeiten sind unberechenbar. Während meines Aufenthalts in Lagos lässt die Regierung vorübergehend alle Läden in Chinatown schließen, angeblich wegen Ermittlungen gegen einen CD-Kopierer-Ring. Aber nicht nur die Chinesen sind neu in der Stadt.
Sie hoffen von uns zu lernen, wie man chinesische Unternehmer produziert, daher Ihr Besuch.
Nino Haratischwili: Das achte Leben (Für Brilka) (2014)
Man klaute Gips, Farbfernseher der Marke Rubin, die Schnittmuster aus der Burda, Zement, Analgin, Thermoskannen aus China mit roten Blumen darauf, Wolle Kondensmilch, Brillengläser, Schulhefte für drei Kopeken, Körperpuder, beige Polyestersocken, Pelze, Schneeanzüge (auch in Regionen, in denen es nicht schneite), Kameraobjektive, grüne Plastikschüsseln, Einweggläser, Schallplatten (egal von wem), Zigaretten der Marke Kosmos oder Astra oder Rasierwasser der Marke Hygiene.
Die weißen Strümpfe aus China, die Gobelins mit Jagdszenen an den Wänden, die Mischka im Norden-Schokoladenbonbons, die Estragonlimonade bei Lagizes.
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah (2013)
Sie hatte geschickte Hände mit dicken Handflächen und viele Geschäftsinteressen; sie flog nach Dubai, um Gold zu kaufen, nach China um Frauenkleidung zu kaufen, und seit neuestem organisierte sie für eine Firma, die tiefgefrorene Hühner produzierte, den Vertrieb.
Tante Uju lachte und tätschelte die seidenen Extensions, die ihr bis auf die Schulter reichten: chinesisches Haar, die neueste Version, glänzend und glatt, wie es glatter nicht sein konnte; es verhedderte sich nie.
Sie trugen bestickte Kaftane und würzige Parfums, die chinesischen Extensions hingen ihnen auf dem Rücken, ihre Gespräche kreisten schonungslos um Materielles, ihr Lachen war kurz und verächtlich.
… als er durch Asien reiste, war er in China ständig Michael Jordan genannt worden;
Die Konversation war symphonisch, Stimmen flossen in Übereinstimmung ineinander: wie entsetzlich es war, die chinesischen Muschelpflücker so zu behandeln, wie absurd die Idee von Gebühren für höhere Bildung, wie lächerlich die Stürmung des Parlaments durch die Befürworter der Fuchsjagd.
Stephanie, chinesischer Abstammung, ihr Haar ein perfekter schwingender Bob, der auf Kinnhöhe nach innen gewellt war, langte hin und wieder in ihre Handtasche mit Monogramm, nahm eine Zigarette heraus und ging hinaus, um zu rauchen.
Lasst schwarze Reisende wissen, was sie erwartet. Man wird zwar nicht erschossen, aber es hilft, wenn man weiß, wo die Leute einen anstarren. Im deutschen Schwarzwald wird ziemlich feindselig gestarrt. In Tokio und Istanbul waren alle cool und gleichgültig. In Shanghai wurde intensiv gestarrt, in Delhi fies.
Abends versammelten sich sechs oder sieben Freunde in seinem Zimmer, alle weiß, bis auf Min, den großen chinesischen Jungen, dessen Eltern an der Universität lehrten.
„Wie war’s in China?“, fragte Obinze. „Diese Chinesen, ehn. Ein sehr gerissenes Volk. Meine idiotischen Vorgänger in dem Projekt haben alle möglichen unsinnigen Geschäfte mit den Chinesen unterschrieben. Wir wollten ein paar Vereinbarungen revidieren, aber dann kamen fünfzig Chinesen zu der Besprechung und brachten Papiere mit und haben nur gesagt: ‚Unterschreiben Sie hier, unterschreiben Sie da.‘ Sie zermürben Dich mit Verhandlungen, bis sie dein Geld und auch deine Brieftasche haben.“
… die großen Ölfirmen haben sowieso vor, sich aus der Ölförderung an Land zurückzuziehen. Sie wollen sie den Chinesen überlassen und sich nur noch auf Offshore-Förderung konzentrieren.
Kristof Magnusson: Das war ich nicht (2010)
Der Rezeptionist hatte ein sehr schönes Gesicht, war wahrscheinlich halb Chinese, halb Europäer, eine Mischung, die ich schon immer charmant gefunden hatte.
Dubravka Ugrešić: Karaokekultur (2010)
Die Kroaten, offenbar müde geworden, immer wieder Denkmäler mit politischen Botschaften niederzureißen und neue zu errichten, haben neulich ein Denkmal für Bruce Lee enthüllt. Es wurde 2005 im Stadtpark Zrinjevac in Mostar aufgestellt, wo Bruce Lee schlicht den Kampf um Gerechtigkeit ohne komplizierte ethnische Konnotationen symbolisiert. Doch am Tag darauf wurde es bereits von unbekannten Vandalen demoliert.
Wenn Bruce Lee in Mostar und Rocky Balboa in Žitište ein Denkmal bekommen haben, warum sollen wir in Čačak einem authentischen Sexsymbol der achtziger Jahre nicht die Ehre erweisen? (Ein Denkmal dem polnischen Wasserinstallateur)
Und obwohl es auf den ersten Blick scheint, dass die Chinesen das Monopol auf elektronische Waren, die Türken und die Marokkaner auf Lebensmittel haben, handelt hier eigentlich jeder mit jedem. Sie alle – blasse Niederländer, dunkelhäutige Marokkaner, farbige Surinamis, gelbe Chinesen – tragen die gleichen Kleider, deren Preis zehn Euro nicht übersteigt, alle haben denselben Geschmack, alle kaufen die gleichen billigen Sofas, die gleichen Spielsachen aus Kunststoff für Ihre Kinder, die gleichen Fernsehgeräte, alle haben am Handgelenk die gleichen Armbanduhren. (Einführung in die Sklavenhaltergesellschaft)
Italien ist ein Land, in dem russische Kellner in italienischen Restaurants chinesische Gäste bedienen, sagte ein Russe, der frisch in Italien eingetroffen war. (Ich bin eine Fremde)
Sollte sich in unserer Welt ohne Grenzen diese lustige Teleportation von Symbolen fortsetzen, könnte es sein, dass man eines Tages die New Yorker Zwillingstürme in Shanghai findet … (Serbisches Hollywood)
Gobelinstickerei als Hobby soll auch in China beliebt sein.
Gräber auf dem Zorgvliet-Friedhof in Amsterdam.
Auf einem anderen sah ich ein chinesisches Takeaway, frische Hühnerschlegel mit Reis in einer Plastikschachtel. Wer weiß, vielleicht hatten wir es da mit einer bezahlten Dienstleistung zu tun, vielleicht wird jeden Tag um die Mittagszeit frisches Essen ans Grab geliefert. … das Kreuz und der am Strauch daneben hängende indianische dream catcher, ein von einer Reise mitgebrachter, mit Silberfäden bestickter Damenpantoffel und ein buddhistisches Öllämpchen, ein Kunststoffbesteck aus dem Flugzeug und eine chinesische Holzrassel … (Karaokekultur)
Ngũgĩ wa Thiong’o: Herr der Krähen (2006)
Er war afrikanischen, asiatischen und europäischen Firmenbossen begegnet, die allesamt dazu neigten, in schwarzen Aburĩriern potentielle Diebe zu sehen.
Irene Dische: Großmama packt aus (2005)
Die anderen Zimmermädchen waren erfahren, das heißt, die schwere Arbeit hatte sie längst flachgehämmert. Sie sahen aus wie alte Nägel, die noch halb aus den Dielenbrettern hervorstanden. Sie sprachen ein knatterndes Spanisch oder Chinesisch.
Yann Martel: Schiffbruch mit Tiger (2001)
Die Offiziere waren Japaner, die Mannschaft kam aus Taiwan, und es war ein großes und eindrucksvolles Schiff. … Einer von ihnen warf mir eine Schwimmweste zu und rief etwas auf Chinesisch. … Es war ein Gesicht wie die Flügel eines Schmetterlings, weise und irgendwie chinesisch. … Seine Züge – das breite Gesicht, die flache Nase, die schmalen Augen mit der auffälligen Lidfalte – wirkten so elegant. Ich fand, er sah aus, wie ein chinesischer Kaiser. … Er sprach kein Englisch, nicht ein einziges Wort, nicht einmal ja oder nein oder hallo oder danke. Nur Chinesisch.
Robert Menasse: Die Vertreibung aus der Hölle (2001)
Im frühen 17. Jahrhundert landet der Samuel Manasseh des Romans in einer „chinesischen Vorstadt“ von Amsterdam.
Die Ankunft in der Freiheit schockierte Manasseh. Die Familie verließ das Schiff, stieg über die schwankene Landebrücke hinunter auf das Pier, und er sah … Mauren, Türken, Chinesen – Das war Holland?
Sie gingen zunächst über den Zeedijk, wo sie den Eindruck hatten, sie wären in einer Stadt im fernen China angekommen. „Warum mumifizieren die Holländer sie?“ frage Manasseh angesichts von Hunderten braungeschrumpelt ölig auf Stangen hängenden Enten. „Nicht die Holländer. Die Chinesen machen das!“ sagte der Vater nicht, nicht die Mutter, sie gingen sprachlos an diesen Straßenhändlern vorbei, an Läden mit Aufschriften in fremden Schriftzeichen, den den Lampions und den Schälchen, aus denen eine Art Weihrauch aufstieg, süßer Weihrauch.
Die Rettung im Absoluten. Wenn es nicht das wäre, welchen Grund gäbe es sonst, Lisboa zu verlassen und sich in einer chinesischen Vorstadt von einem neujüdischen Dilettanten die Eichel spalten zu lassen, verdammt.
Julian Barnes: Flauberts Papagei (1984)
Man vergleiche den Fall seines alter ego Louis Bouilhet, der von China träumte und nie bis England kam.
Wir wissen, dass die Weltausstellung von 1851 seine unerwartete Zustimmung gewann – „eine sehr schöne Sache, obwohl alle Welt sie bewundert“ -, aber seine Aufzeichnungen über diesen ersten Besuch belaufen sich auf bloß sieben Seiten: zwei über das British Museum plus fünf über die chinesischen und indischen Abteilungen im Crystal Palace.
Er versucht, wie gesagt, im selben Maß Chinese wie Franzose zu sein.
Richard Yates: Ruhestörung (1975)
„Ich war heute bei meinem neuen Arzt“, sagte er, als sie es sich auf ihrem weichen blauen Sofa bequem gemacht hatten und er sie so nahe zu sich herangezogen hatte, dass ihr Kopf an seiner Brust zu liegen kam.
„Ja? Wie ist er?“
„Sehr beschäftigt. Wahrscheinlich muss er seine Patiententermine zwischen Flügen nach Südafrika oder China oder weiß Gott wohin abwickeln. …“